Gottes geheimnisvoller Plan

Predigt über Römer 11,25-36

Moshe und Joshua, zwei fromme Juden, gehen in New York spazieren. Da kommen sie an einer baptistischen Zeltmission vorbei. Ein großes Transparent verkündet: "Wer sich taufen lässt, kriegt 20 Dollar!" "Na, was meinste, Moshe," sagt Joshua, "das wäre was für uns. Gehst rein, lässt dich taufen, und dann teilen wir die 20 Dollar." "Gut!", sagt Moshe und geht. Nach einer Stunde kommt er wieder und sagt keinen Ton. Als sie eine Weile gegangen sind, fragt Joshua: "Nu, Moshe, was ist mit den 20 Dollar, die wir teilen wollten?" "Siehste", antwortet Moshe, "das ist das, was uns Christen an euch Juden nicht gefällt!" - Das ist jüdischer Humor. Daneben gibt es jüdische Weisheit. Ein Beispiel: Warum wurde der Mensch am letzten Tag erschaffen? Damit man ihm, wenn ihn der Stolz packt, sagen kann: die Mücke ging dir in der Schöpfung voraus.

Jüdische Weisheit und jüdischen Humor mögen viele Menschen. Die Bücher von Ephraim Kishon sind gerade in christlichen Kreisen sehr verbreitet. Darüber hinaus spielt das Verhältnis von Juden und Christen für viele von uns keine große Rolle. Man weiß, dass Jesus Jude war und wir kennen die Geschichten der jüdischen Glaubensväter: Abraham, Jakob, Joseph, Mose. Aber es ist doch eine andere Religion und für den christlichen Glauben doch eher nicht so relevant, oder?

Wenn heute das Stichwort Israel oder Juden fällt, dann denken wir sofort an die aktuelle politische Situation im Nahen Osten. Es ist nicht einfach sich davon gedanklich etwas zu lösen, aber es wird nötig sein, wenn wir jetzt auf heilsgeschichtliche Zusammenhänge sehen. Es kann aber durchaus sein, dass der Blick in die Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen unsere Sicht auf die aktuellen Entwicklungen erhellt.

25 Meine Brüder und Schwestern, ich muss euch jetzt mit Gottes geheimnisvollem Plan bekannt machen. Wenn ihr euch auf eure eigene Klugheit verlasst, könnt ihr leicht zu falschen Schlüssen kommen.

Paulus wird uns in den geheimnisvollen Plan Gottes einweihen. Wie begrenzt menschliche Klugheit ist, wird an den aktuellen Diskussionen deutlich. Das Wort Israel hat zwei Bedeutungen: 1) Israel ist ein Staat, eine politische Größe. In dem Staat Israel leben Juden, Christen, Moslems, Araber. Dieser Staat macht eine bestimmte Politik. 2) Israel ist auch eine Bezeichnung für das jüdische Volk. Die Juden sind Gottes erwähltes Volk. Juden leben auf der ganzen Welt, nicht nur im Staat Israel. Sie verbindet der jüdische Glaube, der mit der Zugehörigkeit zum Volk Israel eng verbunden ist, aber nicht unbedingt mit der Zugehörigkeit zum Staat Israel. Wenn jetzt von Israel die Rede ist, dann ist damit nicht der politische Staat Israel gemeint, sondern Gottes erwähltes Volk.

Gott hat verfügt, dass ein Großteil des jüdischen Volkes sich gegen die Einladung zum Glauben verhärtet. Aber das gilt nur so lange, bis alle, die er aus den anderen Völkern erwählt hat, den Weg zum Heil gefunden haben. 26 Wenn das geschehen ist, dann wird das ganze Volk Israel gerettet werden, wie es in den Heiligen Schriften vorhergesagt ist: »Vom Zionsberg wird der Retter kommen und alle Auflehnung gegen Gott von den Nachkommen Jakobs nehmen. 27 Dann werde ich ihnen ihre Verfehlungen vergeben, sagt Gott; und so erfüllt sich der Bund, den ich mit ihnen geschlossen habe.«

Gott ist treu

Paulus bestätigt hier noch einmal, was in der Bibel an vielen Stellen bezeugt ist: Das jüdische Volk ist etwas Besonderes, es ist das Bundesvolk Gottes. Das hat sich auch durch Jesus Christus und durch das Entstehen der christlichen Kirche nicht geändert. Deshalb interessieren und engagieren sich Christen für das Volk Israel und deshalb beten viele Christen für die Juden und auch für den Staat Israel, der ja ein Judenstaat sein möchte.

Gott hat einen Bund mit dem Volk Israel, nicht mit dem Staat Israel. Dieser Bund bedeutet für Israel das Heil. Wir Nichtjuden kriegen kein anderes Heil, sondern wir kriegen Anteil an diesem Heil, das Gott ursprünglich für sein Volk Israel reserviert und vorbereitet hat. Wir kriegen Anteil an den Verheißungen, die Gott Abraham, Isaak und Jakob gab; wir kriegen Anteil an der Sendung von Jesus, die ja zuerst den Juden galt; wir kriegen Anteil an dem Heil, das für das Volk Israel bestimmt ist. Das heißt in letzter Konsequenz: Israel kommt auch ohne Kirche zum Heil, aber die Kirche kommt nicht ohne Israel zum Heil. Das Heil, das Jesus uns verheißen hat, besteht darin, dass wir Anteil bekommen an der Erwählung Israels. Paulus hat als Jude darunter gelitten, dass nicht mehr Menschen aus seinem Volk Christus als Retter angenommen haben. Aber er hat daraus nicht geschlussfolgert, dass Gott sein Volk etwa verstößt und dass die Christen jetzt die Juden beerben und die neuen Verheißungsträger sind. Er hat in der zeitweisen Blockade für das Evangelium die Chance gesehen, dass auch Menschen aus anderen Völkern einen Zugang zu Gottes Heil bekommen können. Wie jemand nachträglich eingeladen wird, weil der ursprünglich Eingeladene die Einladung nicht angenommen hat. Das ist kein Grund zur Überheblichkeit!

28 Im Blick auf die Gute Nachricht gilt: Sie sind Gottes Feinde geworden, damit die Botschaft zu euch kommen konnte. Im Blick auf ihre Erwählung gilt: Sie bleiben die von Gott Geliebten, weil sie die Nachkommen der erwählten Väter sind. 29 Denn Gott nimmt seine Gnadengeschenke nicht zurück, und eine einmal ausgesprochene Berufung widerruft er nicht. 30 Ihr aus den anderen Völkern habt Gott früher nicht gehorcht; aber weil sie ungehorsam waren, hat Gott jetzt euch sein Erbarmen geschenkt. 31 Genau entsprechend gehorchen sie Gott jetzt nicht, weil er euch sein Erbarmen schenken wollte; und so werden künftig auch sie Erbarmen finden.

Gott ist frei

Gott ist frei seine Gnade zu schenken, wem er will. Gottes Freiheit ist eine Freiheit des Erbarmens. Es ist bezeichnend für unsere Welt, dass uns das Wort Erbarmen irgendwie altmodisch vorkommt, während das Wort erbarmungslos ein alltägliches Wort ist - nicht nur im Zusammenhang mit dem Terror im Nahen Osten. Denn Gott nimmt seine Gnadengeschenke nicht zurück, und eine einmal ausgesprochene Berufung widerruft er nicht. Das ist ein wunderbarer Satz und auch unabhängig vom Thema Israel ein großer Trost für uns. Einige von uns leiden darunter, dass Kinder und Enkel oder auch Eltern zwar getauft und konfirmiert sind, sich aber nicht zur Gemeinde halten und ihren Glauben nicht leben. Paulus sagt: Da ist immer noch Hoffnung, von Gottes Seite ist immer noch Hoffnung. Gott beantwortet menschliche Untreue mit seiner Treue. Nach menschlicher Logik ist das inkonsequent, nach göttlicher Logik konsequent. Es ist die Konsequenz des Erbarmens.

Bei uns kommen an dieser Stelle ganz schnell die kleinen "Ja, aber's...". Vielleicht haben Sie das gerade schon bei sich beobachtet. Die Bibel sagt: Israel ist von Gott erwählt - ja, aber was die Juden heute in ihrem Staat... Die Bibel sagt: Gott nimmt seine Berufung nicht zurück - ja, aber die Juden müssen doch auch Christen werden... Was Deutsche am Judentum für Schuld auf sich geladen haben, ist schrecklich - ja, aber was die Juden mit den Palästinensern umgehen ... Das sind die Gedanken, die unserer eigenen Klugheit, unserem Kleinglauben und unserer Überheblichkeit entspringen. Paulus möchte uns korrigieren. Deshalb stellt er uns Gottes Ziel mit dieser Welt, mit Juden und Nichtjuden so eindringlich vor Augen: 32 Gott hat alle ohne Ausnahme dem Ungehorsam ausgeliefert, weil er sich über alle erbarmen will. Das beantwortet nicht alle Fragen und löst nicht alle Probleme, es bleibt ein geheimnisvoller Plan Gottes. Ich habe davon so viel verstanden: Gott ist treu. Er steht zu seiner Erwählungszusage an das Volk Israel und wird es zum Heil führen. Gott ist frei. Er schenkt seine Gnade auch Menschen, die momentan nichts von ihm wissen wollen und das Erbarmen, das uns selbst gerettet hat, sollten wir allen anderen Menschen auch gönnen.

Es bleibt ein geheimnisvoller Plan Gottes, den man nicht erklären, sondern nur anbeten kann. Das tut Paulus zum Schluss: 33 Wie unergründlich tief ist Gottes Reichtum, wie tief seine Weisheit und seine Voraussicht! Wie unerforschlich sind seine Gerichtsurteile, wie unbegreiflich seine Führungen! 34 Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35 Wer hat ihm je ein Geschenk gemacht, so dass er etwas dafür fordern könnte? 36 Von Gott kommt alles, durch Gott lebt alles, zu Gott geht alles. Ihm sei Ehre, für immer und ewig! Amen.

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